Die demografische Entwicklung – ein fundamentales Thema in der aktuellen Berichterstattung

Ich hatte Ihnen in der Einführungsveranstaltung erläutert, dass wir uns im ersten Teil der Veranstaltung mit der demografischen Entwicklung vertiefend auseinandersetzen werden, da diese gleichsam wie ein roter Faden für scheinbar ganz unterschiedliche Themen der Sozialpolitik herangezogen werden kann.

Und wie bestellt finden wir eine Untermauerung dieser These in der aktuellen Berichterstattung.

»Ostdeutschland droht ein drastischer Bevölkerungsrückgang. Während westliche Bundesländer florieren, haben die östlichen zu kämpfen. Welche Rolle spielen Geburtenrate und Migration?«

Damit beginnt dieser Artikel von Simon Schröder, der am 9. April 2024 veröffentlicht wurde: Bevölkerungsrückgang in Ostdeutschland: Studie sieht Alterung – Experte macht Krisen verantwortlich. »Neuen Prognosen zufolge hat vor allem der Osten Deutschlands mit dem demografischen Wandel zu kämpfen. Der Unterschied zwischen Ost und West ist gravierend. Bis 2040 soll Deutschland insgesamt allerdings noch wachsen – und zwar um 0,6 Prozent. Dies ermittelte die Wegweiser Kommune der Bertelsmann-Stiftung in einer neuen Studie.«

Es geht hier um eine erhebliche Streuung schon auf der Ebene der Bundesländer: »Im Saarland und allen östlichen Bundesländern wird ein erheblicher Bevölkerungsrückgang erwartet. In den anderen Bundesländern hingegen wird mit einem Wachstum bis 2040 gerechnet. Das Bundesland mit dem stärksten Zuwachs ist Berlin mit einem Plus von 5,8 Prozent, gefolgt von Baden-Württemberg mit 4,6 Prozent und Bayern mit einem Plus von 4,4 Prozent. Das Schlusslicht bildet Thüringen mit einem negativen Bevölkerungswachstum von -10,9 Prozent und Sachsen-Anhalt mit -12,3 Prozent.«

»Als Ursache für die schrumpfenden Bevölkerungszahlen und den demografischen Wandel ist vor allem die niedrige Geburtenrate in Deutschland zu nennen. Und nicht nur Deutschland ist von einer sinkenden Geburtenrate betroffen.« In ganz Europa müsse man sinkende Geburtenraten zur Kenntnis nehmen – auch in den skandinavischen Ländern und in Frankreich, also Länder, die höhere Geburtenraten als Deutschland haben. Auch Südeuropa sei stark betroffen, mit einer Geburtenrate von 1,1 Kindern pro Frau.

Was wird als mögliche Ursachen diskutiert?

In dem Artikel wird Martin Bujard vom Bundesinstitut für Bevölkerungsforschung (BiB) zitiert. »Die Gründe für den Rückgang der Geburtenrate seien in Deutschland ähnlich … Er führte vor allem die Pandemie, den Ukraine-Krieg und den Klimawandel als aktuelle Ursachen an. Diese Krisen würden innerhalb der Bevölkerung Unsicherheit auslösen, wodurch der Kinderwunsch aufgeschoben werde.«

Und sogleich werden mögliche sozialpolitische Folgewirkungen aufgerufen:

»Als direkte Folge der niedrigen Geburtenraten führt Bujard den zukünftigen Fachkräftemangel an. „Das sind die fehlenden Fachkräfte in 20, 30 Jahren.“ Außerdem führe eine Altersstruktur mit sehr vielen Alten und weniger Jungen dazu, dass die Sozialsysteme mehr belastet werden – wie etwa auch die Rente.«

Und dann kommt sie, die Migration als Hoffnungsträger: »Was neben einer höheren Geburtenrate gegen die alternde Bevölkerung helfen könnte, ist die Migration.« Wir werden hier mit einem wichtigen Hinweis konfrontiert, den wir uns noch genauer ansehen müssen:

»Petra Klug, Mitwirkende an der aktuellen Bertelsmann Studie, erklärt wie die Migration im Bevölkerungswachstum zu beachten ist. „Drei Faktoren sind für Vorausberechnungen entscheidend: Geburten, Sterbefälle und Wanderungen. Die Punkte 1 und 2 entwickelte sich relativ stringent, die Wanderungen sind der schwierige Teil.“«

»So haben die letzten zwei Jahrzehnte vor allem zwei Ereignisse die Vorausberechnungen erschwert. Zum einen die Welle an Geflüchteten im Jahr 2015, ausgelöst durch den Krieg in Syrien und zum anderen die ukrainischen Geflüchteten seit Beginn des Ukraine-Kriegs. Und nicht jede Migration ist gleich. Die Geflüchteten aus der Ukraine zum Beispiel hätten einen hohen Anteil an vor allem Frauen im jüngeren und mittleren Alter.«

Wie alle Vorhersagen der zukünftigen Entwicklung gilt auch hier – die Zahl der Menschen und deren Anteil nach Altersgruppen werden sich deutlich verschieben:

»Die Zahl der 65- bis 79-Jährigen wird zwischen den Jahren 2020 und 2040 um 34,8 Prozent auf rund 2,1 Millionen stark wachsen. Ihr Anteil an der Gesamtbevölkerung steigt von 13,8 Prozent im Jahr 2020 auf 17,8 Prozent im Jahr 2040. Bei den über 80-Jährigen wird im selben Zeitraum ein Zuwachs von 35,8 Prozent auf rund eine Million erwartet.«

»Wie groß die Unterschiede bei der Altersstruktur in der Bevölkerung sind, zeigt das sogenannte Medianalter, also der Wert, der die Bevölkerung in eine jüngere und eine ältere Hälfte teilt. Mit einem Durchschnittsalter von 43,8 Jahren hatte Baden-Württemberg 2022 die jüngste Bevölkerung in einem deutschen Flächenland. Dieses Alter wird laut Studie bis zum Jahr 2040 um fast zwei Jahre auf 46,4 Jahre zunehmen, das ist allerdings fast ein Jahr niedriger liegen als im deutschen Durchschnitt (47,1 Jahre).« Wobei die Unterschiede innerhalb eines Bundeslandes auf der Ebene der Städte erheblich sind: »„Jüngste“ Stadt im Südwesten wird die Uni-Metropole Heidelberg sein (im Median 38,8 Jahre), „älteste“ Baden-Baden (Medianalter 50,5 Jahre).«

An anderer Stelle geht es um mögliche Konsequenzen:

Bevölkerungsrückgang in Ostdeutschland: Bitte jetzt gegensteuern!, so hat Anne Lena Mösken im Deutschlandfunk ihren Kommentar überschrieben. »Während im Westen Deutschlands die Bevölkerung wächst, schrumpft sie in den östlichen Bundesländern. Hauptgrund ist die alternde Gesellschaft. Höchste Zeit für Gegenmaßnahmen«, meint sie. Aber was genau?

Sie beginnt erst einmal mit einer Relativierung der demografischen Vorhersagen:

»Zuerst die gute Nachricht: Vor 20 Jahren sagten die Demografen schon einmal einen verheerenden Bevölkerungsrückgang für Ostdeutschland voraus. Sachsen, hieß es damals zum Beispiel, werde bis zum Jahr 2020 weit mehr als eine halbe Million Einwohner verlieren. Die Demografen orientierten sich damals an den Nachwende-Jahren. Millionen Menschen verließen Ostdeutschland gen Westen. Es gingen die Jungen, die gut Ausgebildeten, und vor allem: die Frauen.
Doch so schlimm, wie es die Demografen voraussagten, kam es nicht. Heute leben immer noch gut vier Millionen Menschen in Sachsen. Es besteht also Hoffnung, dass pessimistische Vorhersagen am Ende doch nicht eintreffen. Vor allem hatten die Demografen die Strahlkraft der Großstädte unterschätzt. Leipzig boomt. Es ist die Stadt in Deutschland, die bis 2040 das größte Bevölkerungswachstum verzeichnen wird. So lautet eine neue Prognose, die Forscher der Bertelsmann-Stiftung diese Woche veröffentlichten.«

Aber dennoch: »Doch insgesamt fällt die Vorhersage für Ostdeutschland wieder düster aus. Während im Westen die Bevölkerung wächst, schrumpft sie in den östlichen Bundesländern, um zwölf Prozent und mehr. Der Hauptgrund: die alternde Gesellschaft. Die geburtenstarken Jahrgänge kommen ins Rentenalter, die Geburten gehen zurück.«

»Die Bertelsmann-Stiftung empfiehlt: Es brauche jetzt Strategien, um eine gute Infrastruktur für die älteren Generationen aufzubauen, am besten mit Förderprogrammen.«

»Es ist sicher richtig, dass Kommunen sich darauf einstellen müssen, dass ihre Bewohner immer älter werden. Aber vieles, was es dafür braucht, gute Pflegeheime zum Beispiel, liegt in den Händen der Privatwirtschaft. Und die wird es dahin ziehen, wo es einen Markt gibt. Man konnte das in den letzten Jahren zum Beispiel in Chemnitz beobachten. Die Stadt ist im Gegensatz zu Leipzig keine „Boomtown“, sie ist eine der ältesten in Europa. An der Technischen Universität erforschen Wissenschaftler, wie man das Altern mit Technologie leichter machen kann: Sie haben einen Anzug entwickelt, der simuliert, wie sich ein alter Mensch fühlt. Damit wollen sie herausfinden, was Senioren brauchen.
Start-ups entwickeln hier Apps für Alte. Age Tech nennt man das, und Chemnitz ist das perfekte Labor dafür. Gefördert wird das Ganze übrigens schon längst, mit Geldern vom Freistaat Sachsen. Und das ist auch richtig, aber aus einem anderen Grund: Mit den Start-ups ziehen junge Menschen in die Region. Junge Menschen, die hier arbeiten und leben.«

Was können Kommunen tun, damit sie für junge Menschen attraktiver werden?

Dazu die Kommentatorin: »Die Politik sollte jetzt alles daran setzen, um junge Menschen zurück in die Regionen zu bringen, aus denen sie im Moment fliehen. Dafür braucht es Fördergelder.« Ihr Fazit: »Die wenigen, die heute noch da sind, verschwinden, wenn man jetzt alles auf die alternde Gesellschaft setzt. Umgekehrt ist es aber so: Was eine Gegend lebenswert für Familien macht, kommt auch den Älteren zugute.«

Darüber kann man sicher trefflich diskutieren und streiten.

Und wenn Sie sich für das Original der Studie interessieren, dann werden Sie hier fündig:

➔ Petra Klug et al. (2024): Bevölkerungsvorausberechnung 2040 im Wegweiser Kommune. Deutschland, Gütersloh: Bertelsmann-Stiftung, 09.04.2024