Nicht nur Deutschland hat ein „Problem“ mit „der“ Geburtenrate. Im Sommer des vergangenen Jahres berichtete das Deutsche Ärzteblatt unter der Überschrift OECD: Geburtenrate innerhalb von 60 Jahren halbiert: »Die Geburtenrate pro Frau ist in den Mitgliedsländern der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) in den vergangenen 60 Jahren um etwa die Hälfte geschrumpft. Davon berichtet die OECD in ihrem Report „Society at a Glance 2024“.« Und weiter kann man dort lesen: »Frauen bekommen demnach zudem in immer höherem Alter Kinder oder bleiben zunehmend dauerhaft kinderlos. Fachleute führen das unter anderem auf veränderte Geschlechternormen, Unsicherheit, die multiplen Krisen und veränderte Anforderungen an Elternschaft zurück.«
»Während Frauen 1960 im Schnitt 3,3 Kinder zur Welt brachten, waren es 2022 nur noch etwa 1,5. Die OECD warnte vor möglichen ernsthaften wirtschaftlichen und sozialen Folgen der Entwicklung.«
Wie Sie wissen, liegt das nötige Level zum Erhalt der Bevölkerungsgröße bei 2,1 Kindern pro Frau.
➔ »Eine Ausnahme in den OECD-Daten ist Israel, das weit über der Rate von 2,1 liegt. Das liege vor allem daran, dass Frauen in dortigen religiösen Gemeinschaften noch überdurchschnittlich viele Kinder bekämen.«
»In Deutschland bekamen Frauen den Angaben zufolge 1960 im Schnitt 2,4 Kinder. 2022 waren es durchschnittlich nur noch 1,46 – knapp unter dem OECD-Durchschnitt. Die niedrigste Geburtenrate war demnach Mitte der 1990er-Jahre mit 1,2 Kindern pro Frau erreicht worden. Der OECD zufolge lag dies an einem Geburtenrückgang in Ostdeutschland nach der Wiedervereinigung. Danach sei es auch wegen familienpolitischer Entwicklungen zwischenzeitlich zu einem Anstieg gekommen, in den vergangenen Jahren sank die Rate jedoch wieder.«
Und es geht anderen Ländern offensichtlich noch schlechter: »Besonders wenige Kinder werden der OECD zufolge mittlerweile in Korea1 geboren: Dort bekamen Frauen im vergangenen Jahr geschätzt im Schnitt 0,7 Kinder. Bis 2060 komme in dem Land voraussichtlich ein älterer Mensch auf einen Erwerbstätigen … Auch Spanien, Polen und Japan gehörten dann zu den sehr alten Ländern.«
Und auch das Erstgeburtsalter der Mütter, über das wir mit Blick auf Deutschland gesprochen haben, taucht hier wieder auf: »Heutzutage bekommen Frauen laut OECD nicht nur weniger, sondern auch später Kinder. Im Jahr 2000 waren Mütter bei der Geburt im Schnitt 28,6 Jahre alt, 2022 durchschnittlich 30,9. In Deutschland stieg das Durchschnittsalter in dem Zeitraum von 28,8 auf 31,4 Jahre.«
Und die Frauen wurden nicht nur älter bei der Geburt ihrer ersten Kinder, sondern ein wachsender Anteil von ihnen bleibt lebenslang kinderlos: »Der Rückgang der Fertilitätsrate hängt auch mit der Zunahme von Kinderlosigkeit in den meisten OECD-Ländern zusammen. In Deutschland stieg die dauerhafte Kinderlosigkeit von 16 Prozent bei den 1955 geborenen Frauen auf 20 Prozent bei den 1975 geborenen Frauen.« Dabei ist Deutschland keineswegs Schlusslicht: »Noch ausgeprägter zeigt sich die Entwicklung etwa in Italien, wo von den 1951 geborenen Frauen nur rund jede Zehnte dauerhaft kinderlos blieb, bei den 1978 Geborenen aber bereits rund jede Fünfte.«
China und die Folgen der (längst abgeschafften) Ein-Kind-Politik
Das waren ungewöhnliche Töne aus Peking: »Eine neue Kultur des Heiratens und Kinderbekommens soll geschaffen werden, heißt es in einer Mitteilung des Staatsrats in Peking. Man wolle mehr Respekt schaffen für Schwangere und Hochzeiten im, wie es heißt, „richtigen“ Alter. Dazu sollen sich Väter und Mütter die Verantwortung teilen«, berichtete Benjamin Eyssel aus dem ARD-Studio in Peking unter der Überschrift China will Kinderkriegen attraktiver machen. Und weiter geht es mit Versprechungen: »Um das zu erreichen, könnte man die Versicherungen für Mütter, den Mutterschaftsurlaub, Zuschüsse sowie die medizinische Versorgung und Betreuung für Kinder verbessern, hieß es. Konkrete Maßnahmen wurden allerdings nicht angekündigt.«
Das Problem ist schnell beschrieben: »China steht vor einer riesigen demografischen Herausforderung.2 Die Bevölkerung des Landes mit 1,4-Milliarden Einwohnern schrumpft seit zwei Jahren und überaltert zunehmend – und das ohne flächendeckendes Sozialsystem. Eine Trendwende ist nicht in Sicht. Zwar ist die jahrzehntelang geltende Ein-Kind-Politik längst Geschichte. Junge Leute wollen häufig dennoch nicht mehr als ein Kind bekommen, viele bleiben kinderlos. Gründe sind unter anderem hohe Kosten für die Kindererziehung in den Städten und großer Konkurrenzdruck. Dazu kommt, dass es wirtschaftlich nicht mehr so gut läuft. Kommunen sind überschuldet, der Konsum lahmt, die Immobilienbranche steckt in der Krise und gerade viele junge Leute sind ohne Job.«
Ebenfalls von Benjamin Eyssel stammt dieser Beitrag: Chinas Plan gegen den demografischen Kollaps. Die haben also einen Plan? Da schauen wir mal genauer hin und entdecken, dass es dabei auch in China um eine der ganz großen Baustellen der Sozialpolitik geht: der Alterssicherung:
»China hat eins der niedrigsten Renteneintrittsalter der Welt. Doch das soll sich nun ändern, denn das Land steht vor riesigen demografischen Herausforderungen. In der Bevölkerung sorgen die Pläne für Unmut.«
Was wurde da im vergangenen Jahr konkret auf den Weg gebracht?
»Ab dem 1. Januar verschiebt sich das Renteneintrittsalter in China alle paar Monate um einen Monat nach hinten. Mitte September gab Sozialministerin Wang Xiaoping die Rentenpläne auf einer Pressekonferenz in Peking bekannt. Bei Männern verschiebt sich das Rentenalter am Ende von 60 auf 63 Jahre. Frauen konnten bislang, je nach Beruf, mit 50 oder 55 in Rente gehen. In Zukunft werden es 55 beziehungsweise 58 Jahre sein.«
Chinas Führung und Staatsmedien erklären, dass das aktuelle Renteneintrittsalter zu den niedrigsten in der Welt gehöre und es keinen anderen Weg gebe. »Die Ankündigung sorgt in den chinesischen Online-Netzwerken dennoch für viel Unmut. Die meisten Chinesinnen und Chinesen arbeiten extrem hart, Tag und Nacht und an Wochenenden. Es gibt wenige freie Tage und kaum soziale Absicherung.«
»Auch wenn sie häufig sehr klein ausfällt – zum Teil nur wenige hundert Euro im Monat – ist die Rente für die Menschen in China eine wichtige Etappe im Leben. Unabhängig davon, dass viele nach dem Renteneintritt weiter arbeiten müssen, um sich das Leben in den teuren Städten finanzieren zu können.«
Die hier in Umrissen beschriebene Rentenreform, die für so viel Unmut sorgt, ist (wahrscheinlich) nur der Anfang: »Jahrzehntelang wurden Reformen verschleppt. Der Wirtschaftsboom der vergangenen Jahrzehnte habe verdeckt, dass China im sozialpolitischen Bereich oft ineffizient sei.« So die Bewertung von Katja Drinhausen vom Berliner China-Thinktank „Merics“.3
China steht vor einem massiven demografischen Problem. Das Land mit den 1,4 Milliarden Einwohnern überaltert rasant. Die Bevölkerung schrumpft inzwischen. Und daran ist nicht nur eine zu niedrige Geburtenrate „schuld“: »Gleichzeitig steigt die Lebenserwartung. Bis 2050, so Schätzungen chinesischer Experten, könnte es 500 Millionen Chinesinnen und Chinesen geben, die älter als 60 Jahre sind.« Und die müssen versorgt werden – übrigens nicht nur hinsichtlich der Rente, sondern vor allem aufgrund der steigenden Lebenserwartung auch im Bereich der Versorgung der stark wachsenden Zahl an Pflegebedürftigen (die zugleich anders als in der Vergangenheit immer weniger bis gar nicht mehr von den geschrumpften Familien betreut werden können).
Apropos Ein-Kind-Politik in China: Ein Fallbeispiel für die langen Nachwehen einer rigiden Maßnahme
Die chinesische Bevölkerung schrumpfte in den Jahren 2022 und 2023 – nach Jahrzehnten des Bevölkerungswachstums. Trotz des Endes der Ein-Kind-Politik und der Einführung einer Drei-Kind-Politik schafft China es nicht, seine Geburtenrate anzukurbeln. Was hat bzw. hatte es mit dieser Ein-Kind-Politik auf sich? Dazu sei hier auf diese Ausarbeitung aus dem Institut der deutschen Wirtschaft verwiesen:
➔ Gero Kunath (2024): Nachwehen der Ein-Kind-Politik: China im demografischen Wandel, IW-Kurzbericht, Nr. 10/2024, Köln: Institut der deutschen Wirtschaft (IW), Februar 2024
»Auf einen rasanten Anstieg der Bevölkerung in den 1960er und 1970er Jahren reagierte die chinesische Regierung mit der Einführung der Ein-Kind-Politik, die von 1979 bis 2015 in Kraft war und zuletzt von der Drei-Kind-Politik abgelöst wurde – bisher ohne Wirkung. Die Zahl der durchschnittlichen Geburten pro Frau erreichte zuletzt einen historischen Tiefstand und wird sich laut Prognosen in den kommenden Jahrzehnten kaum erholen. Ein Grund hierfür sind die sozialen und wirtschaftlichen Rahmenbedingungen, die jungen chinesischen Paaren die Familiengründung erschweren.«
Das Bevölkerungswachstum war vor Chinas Öffnungspolitik unter Deng Xiaoping eine große Herausforderung für die chinesische Regierung. Maßnahmen wie die Ein-Kind-Politik ließen die demografische Entwicklung schnell von einem Extrem ins andere kippen.
Die massiven Auswirkungen verdeutlicht diese Abbildung, die Kunath (2024) entnommen ist:

»Die 1960er Jahre waren das geburtenstärkste Jahrzehnt in China. Insgesamt wurden knapp 242 Millionen Kinder geboren und jede Frau im gebärfähigen Alter bekam im Durchschnitt sechs Kinder. Die chinesische Bevölkerung wuchs allein von rund 662 Millionen im Jahr 1960 auf knapp 830 Millionen im Jahr 1970 … Die damalige Regierung unter Mao Zedong reagierte auf das rasante Bevölkerungswachstum Anfang der 1970er Jahre mit der „Später, länger, weniger“-Kampagne, welche das Mindestheiratsalter für Frauen auf 23 Jahre und für Männer auf 25 Jahre anhob. Darüber hinaus begrenzte es die zulässige Zahl an Kindern pro Paar auf zwei und schrieb einen zeitlichen Abstand von mindestens drei Jahren zwischen beiden Geburten vor.
In der Folge verlor die Geburtenentwicklung in den 1970er Jahren an Dynamik, blieb aber auf einem hohen Niveau – mit insgesamt knapp 219 Millionen Geburten und einer durchschnittlichen Fertilitätsrate von 4,1. Daraufhin verschärfte die chinesische Regierung die Maßnahmen zur Geburtenkontrolle mit der Einführung der Ein-Kind-Politik im Jahr 1979 weiter. Paaren war von nun an nur noch die Geburt eines Kinds gestattet. Mitte der 1980er Jahre wurde das Gesetz etwas gelockert und Paare ethnischer Minderheiten und solche in ländlichen Gegenden durften ein zweites Kind bekommen, falls das Erstgeborene ein Mädchen war. Die umstrittene Maßnahme zeigte Wirkung und senkte die Fertilitätsrate auf 2,7 in den 1980er Jahren und auf rund 1,7 in den 1990er, 2000er und den 2010er Jahren. In den letzten drei Jahrzehnten lag die Fertilitätsrate damit unter dem Niveau von 2,1, das nötig wäre, um die Bevölkerung stabil zu halten … Im Jahr 2015 schaffte die chinesische Regierung daher die Ein-Kind-Politik ab und führte im Jahr 2022 sogar die Drei-Kind-Politik ein, um die Geburtenzahlen und die Fertilitätsrate anzukurbeln – bisher allerdings ohne Wirkung. Die Fertilitätsrate sank weiter und erreichte mit 1,2 im Jahr 2021 ihren vorläufigen historischen Tiefststand.«
Und bereits mehrfach angesprochen wurden die ökonomischen Auswirkungen – und gleichzeitig die (möglichen) sozialpolitischen Stellschrauben. Das taucht auch bei Kunath (2024) auf:
»Die Nachwehen der Ein-Kind-Politik werden in China in Zukunft zunehmend spürbar sein und werden auch das bisherige Wirtschafts- und Sozialmodell vor große Herausforderungen stellen. In den kommenden Jahrzehnten wird die chinesische Bevölkerung weiter altern und schrumpfen. Vor allem die Zahl der Chinesinnen und Chinesen im erwerbsfähigen Alter wird bis 2050 um schätzungsweise ein Viertel sinken … Eine entscheidende Säule des chinesischen Wirtschafts- und Wachstumsmodells – der lange starke Zuwachs an günstiger Arbeitskraft – gerät damit ins Wanken. Es droht sogar ein Fachkräfteengpass. Erschwerend hinzu kommt, dass China bisher kaum Zuwanderung ausländischer qualifizierter Arbeitskräfte aufweisen kann. Nur etwa 0,1 Prozent der in China lebenden Personen kam im Jahr 2020 aus dem Ausland … In Deutschland lag dieser Anteil zuletzt bei knapp 15 Prozent …
Das Zusammenspiel aus zukünftig weniger Erwerbstätigen, die möglicherweise höhere Sozialabgaben leisten müssen, sowie einer hohen Zahl an Ruheständlern mit niedrigen Renten könnte darüber hinaus eine weitere Säule der chinesischen Wirtschaft schwächen – den privaten Konsum. Denn der Bedarf für Altersvorsorgesparen ist entsprechend hoch.«
Aber kann man das auch anders sehen?
»Bis zum Jahr 2100 könnte sich Chinas Bevölkerung mindestens halbieren, sagen Prognosen. Die einen halten das für eine Katastrophe – die anderen für eine Chance.« So beginnt ein Beitrag mit einer interessanten, weil von der üblichen Problematisierung abweichenden Überschrift: Chinas Bevölkerung schrumpft und altert, aber womöglich ist das kein Problem. Da schauen wir mal genauer hin.
»“Ich bin mir gar nicht sicher, ob das überhaupt ein Problem ist“, meint der Demograf Wolfgang Lutz. Der Gründer des Wittgenstein Centre for Demography and Global Human Capital ist auch immer wieder als Gastprofessor in Schanghai tätig und sagt: „In China läuft die Entwicklung im Prinzip auch nicht anders ab als in anderen Ländern.“ In Europa und Nordamerika habe der Geburtenrückgang um 1900 eingesetzt, in Lateinamerika und Ostasien in den 1960er- und 1970er-Jahren. In Afrika bringen Frauen derzeit noch ungefähr vier Kinder zur Welt, „aber auch dort beginnt es schon zu sinken“. Derzeit sei weltweit ein „demografischer Übergang“ zu beobachten: „Die hohen, unkontrollierten Geburtenraten werden von einer geplanten Familiengründung abgelöst.“
In Österreich hätten Frauen im 19. Jahrhundert noch fünf oder mehr Kinder geboren. Während man damals die Familiengröße einfach dem Schicksal überlassen hatte, fingen die Menschen irgendwann an, sie zu planen. „Das war gewissermaßen eine gesellschaftliche Innovation, die sehr stark mit der Alphabetisierung der Bevölkerung zusammenhing.“ Insbesondere die Bildung der Frauen spiele für sinkende Geburtenraten eine Rolle. Aber auch der Wunsch, Kindern ein gutes Leben bieten zu können, sei maßgeblich: „Das funktioniert bei zwei oder drei Kindern leichter als bei sechs“, sagt Lutz.«
Insofern ordnet sich das, was in China passiert, ein in eine allgemeine globale Entwicklung.
Immer wieder, auch in diesem Beitrag, wurde auf die rigide Ein-Kind-Politik der Vergangenheit als Ursache für die stark gesunkenen Geburtenraten in China hingewiesen. Lutz setzt hier Fragezeichen:
»Es gibt prominente Wissenschafter, die sagen, dass sie ohne dieses rigorose Programm vermutlich genauso schnell runtergegangen wäre. Was dafür spreche: In Japan oder Südkorea lief es ähnlich ab. Dort gab es keine Zwangsmaßnahmen, und die Geburtenrate ist dennoch gesunken.«4
Aber die schlimmen Folgen, wenn Chinas Bevölkerung schrumpft und immer älter wird? Auch dazu hat Lutz eine abweichende Meinung:
»Es ist womöglich alles gar nicht so schlimm wie oft von Politikern und in den Medien dargestellt. Durch die niedrige Geburtenrate werde es in China zwar künftig weniger Arbeitskräfte geben – diese seien jedoch viel besser ausgebildet. Während es unter den Älteren noch viele Analphabeten gebe, genieße fast die Hälfte der jungen Menschen eine höhere Bildung nach der Schule.«
Und er fügt noch hinzu: »Die Tatsache, dass es immer weniger junge Menschen gibt, kann also kompensiert werden durch die Tatsache, dass sie immer besser ausgebildet und dadurch produktiver sind. Werde dies einbezogen, … zeige sich eine „optimistischere Zukunft“ für China, als viele Prognosen besagen. Durch die Automatisierung könne es zudem sein, dass Jobs wegfallen, gibt Lutz zu bedenken. „Und da ist es vielleicht sogar ein Segen, dass es weniger junge Menschen gibt, weil man Arbeitslosigkeit vermeidet.“«
Trotz dieser Relativierungen sieht auch Lutz ganz erhebliche sozialpolitische Herausforderungen, die bewältigt werden müssen:
»Die Erkenntnisse würden jedoch nicht bedeuten, dass der demografische Wandel ganz ohne Probleme verlaufen wird, halten die Experten fest. Wird die Bevölkerung immer älter, müsse das Pensionssystem reformiert werden. In China ist das Pensionsantrittsalter vergleichsweise niedrig, es liegt bei 60 Jahren für Männer und 55 Jahren für Frauen. Außerdem gelte es sicherzustellen, dass das höhere Bildungsniveau auch zu einer höheren Produktivität führt, so die Forscher. Dafür müssten die Menschen mit den nötigen Fähigkeiten und Fertigkeiten ausgestattet werden. Und möglichst viele bräuchten Zugang zu guter Bildung.«
Er verweist zugleich auch auf die Hybris der Politik (gerade in China), dass man das Verhalten der Menschen steuern könne – und dann enttäuscht ist, wenn das an grenzen stößt:
»Die chinesische Regierung meint, viel Kontrolle über das Privatleben der Menschen zu haben. Doch der Einfluss des Staates bei der Familiengründung scheint gering zu sein, ebenso wie in anderen Ländern. Menschen bekommen nicht mehr Kinder, weil die Politik das will. Selbst Maßnahmen wie eine Erhöhung der Kinderbeihilfe hätten relativ geringe Auswirkungen auf die Geburtenrate. Denn: Es handelt sich beim Kinderkriegen um eine höchst private Entscheidung. Dabei spielt die eigene Situation eine Rolle, darunter auch ökonomische Erwägungen. In China seien die Mieten relativ hoch, ebenso das Schulgeld. So hoch, dass sich viele kein zweites Kind leisten können. „So hoch können die Beihilfen vom Staat kaum sein.“«
Und wie sieht es bei chinesischen Nachbarn aus?
Wie sieht es aus bei einem südlichen Nachbarn des großen China, also Vietnam? Im Juni 2025 wurde gemeldet: »Vietnams von der kommunistischen Partei kontrollierte Nationalversammlung hat … mit sofortiger Wirkung die bisherige Zweikindpolitik des südostasiatischen Landes aufgehoben.« Den Bürgerinnen und Bürgern des Landes sei es jetzt freigestellt, über die Zahl ihrer Kinder sowie den Zeitpunkt und Ort von deren Geburt selbst zu entscheiden, kann man diesem Bericht entnehmen: Zwei Kinder pro Familie sind nicht mehr genug: »Die kommunistische Regierung in Vietnam beendet die offizielle Zweikindpolitik. Der männliche Geburtenüberschuss bleibt aber weiterhin ein Problem.«
Und auch hier werden wir mit vergleichbaren Begründungen ausgestattet:
»Die Abkehr von der 1988 eingeführten Zweikindpolitik begründete Gesundheitsministerin Dao Hong Lan mit den sonst bestehenden Risiken für die wirtschaftliche Stabilität, dem sozialen Zusammenhalt, der nationalen Verteidigung sowie der nachhaltigen Entwicklung. Derzeit altert Vietnams Bevölkerung von 100 Millionen in zunehmenden Maß. Das könnte bald zu einem Verlust der wirtschaftlichen Dynamik und einem Mangel an produktiveren jungen Arbeitskräften führen.«
Die Geburtenrate pro Frau hatte im wirtschaftlich boomenden Land 2021 noch 2,11 Kinder betragen, was etwa einem Gleichstand zwischen Geburten und Todesfällen entspricht. Doch sank die Rate auf nur noch 1,91 Kinder für 2024.
Auch nicht überraschend: »Insbesondere in den Metropolen Hanoi und Ho-Chi-Minh-Stadt (Saigon) mit ihren hohen Lebenshaltungskosten liegt die Geburtenrate längst deutlich darunter, bei Letzterer sogar nur noch bei 1,39.«
➞ In Ho-Chi-Minh-Stadt bekommen Frauen unter 35 Jahren, die bereits zwei Kinder haben, einen Bonus von umgerechnet 120 Dollar. Auch würden dort bereits Dating-Shows und Propagandaplakate für mehr Kinder werben.
Man muss wissen: Vietnams Zweikindpolitik wurde nie so streng durchgesetzt wie die bis 2016 bestehende Einkindpolitik in China, wo es sogar Zwangsabtreibungen gab.5
Auch Südkorea reiht sich hier ein – ganz vorne. Und Japan ebenfalls
Die Geburtenrate in Südkorea liegt bei 0,75, so niedrig wie nirgends sonst auf der Welt. In dem Anfang Juli 2025 in der Süddeutschen Zeitung erschienen Beitrag Kinder? Irgendwann vielleicht. Oder auch nie taucht auch ein Rechenbeispiel auf, das Sie schon in abgewandelter Form kennen: »Man muss das mal ausrechnen: Wenn der Geburtentrend anhält, wird jede Generation in Südkorea nur noch ein Drittel so groß sein wie die vorherige. Auf hundert heutige Koreaner werden in Zukunft nur noch insgesamt rund zwölf Enkelkinder kommen.«
Also die haben eine wirklich tiefe Geburtenrate und immer wieder kann man Versuche finden, sich dieser krassen Entwicklung soziologisch anzunähern (vgl. als ein beispiel den Beitrag Warum Südkoreanerinnen keine Kinder kriegen).6
Und bleiben wir noch einen Moment im ostasiatischen Raum und schauen nach Japan. Auch dort wird von Versuchen berichtet, mit politischen Maßnahmen gegen die niedrige Geburtenrate anzugehen: »In Japan kommen immer weniger Kinder zur Welt. Die Regierung will gegensteuern – mit unkonventionellen Methoden und mehr Einwanderung«, so dieser Artikel: „Stille Notlage“: Wie Japan mit Dating-Apps und Viertagewoche gegen den Geburtenrückgang ankämpft. Auch hier wird eine bekannte Problembeschreibung vorangestellt:
»Seit Langem schon sinkt in Japan die Geburtenrate. Nun vermeldeten die Statistiker des asiatischen Landes einen neuen Negativrekord: Genau 686.061 Neugeborene kamen 2024 zur Welt, so wenige wie nie seit Beginn der Aufzeichnung im Jahr 1899 und erstmals weniger als 700.000. Zum Vergleich: Auf dem Höhepunkt des Nachkriegs-Babybooms 1949 wurden in Japan 2,7 Millionen Kinder geboren, viermal so viele wie im vergangenen Jahr. Und ein Ende des Abwärtstrends ist nicht in Sicht, mit immer gravierenderen Folgen für die viertgrößte Volkswirtschaft der Welt … Im Schnitt bringt eine Japanerin nur 1,15 Kinder zur Welt, deutlich weniger als die 2,1 Kinder, die nötig sind, um die Bevölkerungszahl stabil zu halten. Bleibt die Geburtenrate so niedrig, könnten in Japan im Jahr 2070 nur noch 87 Millionen Menschen leben, ein Rückgang von etwa 30 Prozent; heute zählt der Inselstaat noch 124 Millionen Menschen.«
Wo die Jungen fehlen, müssen die Alten ran. Dafür setze die japanische Regierung auf die „Aktivierung der Senioren“.
Von einer „stillen Notlage“ spricht der nunmehr ehemalige japanische Premierminister Shigeru Ishiba. »Und er will, dass die Japaner wieder mehr Kinder bekommen. Dazu hat Ishibas Regierung ein Maßnahmenpaket geschnürt, das es Paaren einfacher machen soll, Beruf und Familie zu vereinbaren. So soll die Schulausbildung bis zum Abitur kostenlos werden, damit würden für Eltern die in Japan hohen Ausbildungskosten für ihre Kinder deutlich gesenkt werden. Auch eine Erhöhung des Kindergelds wird debattiert.«
Besonders niedrig ist die Geburtenrate in den japanischen Großstädten.
»Dort werden zunehmend auch unkonventionellere Ansätze verfolgt. Die Stadt Tokio ermöglicht es ihren Angestellten seit Kurzem, ihre Arbeit auf nur vier Tage pro Woche zu verteilen. Die drei freien Tage sollen die Angestellten dann ganz ihren Familien widmen können. „Wir werden unsere Arbeitsweise weiterhin flexibel gestalten, damit niemand seine Karriere wegen Lebensereignissen wie Geburten oder der Betreuung von Kindern aufgeben muss“, erklärte Tokios Gouverneurin Yuriko Koike im vergangenen Jahr. Auch eine eigene Dating-App hat die Tokioter Stadtregierung bereits gestartet – potenzielle Eltern sollen sich so leichter finden.«
Eine Parallelität zu Südkorea: Für Experten ist die aktuelle Situation „ein Symptom tieferliegender Ungleichheiten zwischen den Geschlechtern“.
»Im „Global Gender Gap Report“ des Weltwirtschaftsforums, der Ungleichheiten zwischen den Geschlechtern misst, liegt Japan derzeit auf Rang 118 von 146 (Deutschland befindet sich auf Platz sieben). Vor allem bei der wirtschaftlichen Teilhabe von Frauen schneidet der Inselstaat schlecht ab, viele Japanerinnen arbeiten in prekären Beschäftigungsverhältnissen.«
»„Nach der Heirat und spätestens mit der Kindsgeburt wird erwartet, dass sie ihren Arbeitsplatz räumen. Der Wiedereinstieg gelingt oft nicht oder nur zu schlechteren Konditionen“ … Die Folge: Immer mehr Japanerinnen widersetzen sich dieser gesellschaftlichen Norm – und bekommen keine Kinder, um weiter Karriere machen zu können. „Von Männern hingegen werden Überstunden, Flexibilität und voller Einsatz für den Arbeitgeber erwartet. Viele junge Väter können daher wenig für die Familie da sein oder im Haushalt helfen“.«
Auch das Thema Zuwanderung taucht hier auf:
»Um den Kindermangel auszugleichen, versucht die Regierung, Einwanderer aus dem Ausland für ein Leben in Japan zu gewinnen. Einer Studie aus dem vergangenen Jahr zufolge müsste Japan dazu die Zahl seiner ausländischen Arbeitskräfte bis 2040 auf 6,88 Millionen mehr als verdreifachen.«
Allerdings gibt es erhebliche Vorbehalte in Japan gegen die Zuwanderung von Ausländern und deren Anteil ist auch verschwindend gering im Vergleich z.B. zu Westeuropa.7
Und was ist mit Russland?
Aus der Russischen Föderation, deren Staatsführung durch ihren Angriffskrieg gegen die Ukraine gerade hunderttausende junger Männer an die Schlachtbank führt, kommen solche Meldungen: »Der Kreml sucht fieberhaft nach Wegen, die Geburtenrate zu steigern und appelliert an den Nationalstolz junger Frauen.« Daria Boll-Palievskaya berichtet in ihrem Beitrag Gebären fürs Vaterland: »Die Demografie ist tatsächlich eine der größten Herausforderungen, vor denen Russland steht. In diesem Jahr liegt die Geburtenrate auf dem niedrigsten Stand seit 25 Jahren, während die Sterberate gleichzeitig ansteigt. Der Bevölkerungsrückgang hat sich im ersten Halbjahr 2024 laut Schätzungen der russischen Statistikbehörde Rosstat im Vergleich zum gleichen Zeitraum des Vorjahres um das 1,8-Fache verstärkt. Auch die Geburtenrate sinkt weiter: Im ersten Halbjahr 2024 wurden 2,7 Prozent weniger Kinder geboren als im gleichen Zeitraum des Jahres 2023.«
Die Reaktion der Politik: reine Propaganda. »Der russische Gesetzgeber sucht fieberhaft nach Wegen, Frauen zu mehr Geburten zu bewegen – und zwar eher mit Peitsche als mit Zuckerbrot.«
Beispiel: »Bereits 2022 wurde in die Staatsduma ein Gesetzentwurf eingebracht, der die „Childfree-Propaganda“, also die „Propaganda der Kinderlosigkeit“, verbieten sollte. Der Entwurf wurde damals abgelehnt, doch am 12. November 2024 verabschiedete das russische Parlament das Gesetz: Das Verbot der „Propaganda der Kinderlosigkeit“ sei für die nationale Sicherheit erforderlich. Laut Elvira Aitkulowa, Mitinitiatorin des Gesetzes und Abgeordnete der Putin-Partei Einiges Russland, verbreiten Anhänger der „Kinderlosigkeits“-Ideologie „Ideen eines freiwilligen Verzichts auf Kinder“ und förderten so eine Entvölkerung. Das Gesetz soll traditionelle Familienwerte stärken und gegen die Verbreitung von Informationen im Internet, in Medien, Filmen und der Werbung vorgehen, die den Verzicht auf Kinder propagieren. Für Verstöße drohen empfindliche Geldstrafen: bis zu umgerechnet etwa 4 000 Euro für Einzelpersonen und bis zu 50 000 Euro für Unternehmen.«
Aber gibt es überhaupt eine „Kinderlosigkeits“-Bewegung in Russland? Laut einer aktuellen Studie lediglich 2,4 Prozent der Frauen und 3,5 Prozent der Männer keine Kinder. Die Annahme, es gebe ein weit verbreitetes Streben nach Kinderlosigkeit, entbehrt also jeder Grundlage. Fast die Hälfte der Russen, 45 Prozent, wünscht sich sogar zwei Kinder, doch häufig mangelt es an finanziellen Mitteln, um diesen Wunsch zu erfüllen.
Was gibt es sonst noch für Maßnahmen seitens der russischen Regierung?
»Seit 2007 gibt es das sogenannte „Mutterschaftskapital“ – eine einmalige Zahlung bei der Geburt eines Kindes, die für den Erwerb von Immobilien oder die Ausbildung der Kinder genutzt werden kann. Für das Jahr 2025 sind jedoch nur 536 Milliarden Rubel (umgerechnet circa 5,3 Milliarden Euro) für das Mutterschaftskapital vorgesehen, was lediglich 0,27 Prozent des BIP entspricht. Auch die Bedingungen für die vergünstigte Familienhypothek, ein weiterer zentraler Mechanismus des Staates zur Unterstützung von Familien, wurden zum 1. Juli 2024 verschärft. Familien können die Vorzugsrate von sechs Prozent nur noch dann in Anspruch nehmen, wenn sie mindestens ein Kind unter sechs Jahren haben – unter den alten Bedingungen konnte das Programm von Familien mit einem Kind bis 18 Jahre genutzt werden.«
Hier geht es wieder einmal um Geld und daraus resultiert auch: »Langfristig angelegte demografische Maßnahmen sind also teuer. Verbote, die traditionelle Werte stärken sollen, verursachen hingegen kaum Kosten.«
Und die Liste der Restriktionen wächst ständig: »So wurde es Mitte 2023 privaten medizinischen Kliniken in einigen Regionen Russlands untersagt, Abtreibungen durchzuführen. Im Juni empfahl das Gesundheitskomitee der Staatsduma dem Gesundheitsministerium, die Abtreibungsfrist von zwölf auf neun Wochen zu verkürzen. Zudem gibt es Vorschläge, eine Steuer auf Kinderlosigkeit einzuführen – wie einst in der Sowjetunion – und die Einnahmen für die Modernisierung russischer Waisenhäuser zu nutzen.«
Die Verfasserin konstatiert eine „Orientierungslosigkeit des Kremls bei der Lösung echter Probleme wie der Demografie“. Es wurde sogar ein Schulfach namens „Familienkunde“ eingeführt. »Ziel des Faches ist es, bei den Schülern pro-familiäre Werte und Vorstellungen über Ehe, Kinderreichtum und Keuschheit zu verankern, um die demografischen Probleme des Landes zu lösen, wie es im Fachprogramm heißt.«
Interessant ist auch das hier: »Nach Ansicht des unabhängigen Demografen Alexej Rakscha wären zur Steigerung der Geburtenrate in Russland jährlich mehr als sechs Billionen Rubel (circa 60 Milliarden Euro) zur Armutsbekämpfung nötig. „Im Idealfall sollte für jedes Kind eine bedingungslose Zahlung in Höhe des Existenzminimums bis zur Volljährigkeit oder zum Universitätsabschluss gewährt werden“,« so wird der Demograf zitiert. Es erübrigt sich, darauf hinzuweisen, dass das genau nicht gemacht wird.
Fußnoten
- Gemeint ist offensichtlich Südkorea.
↩︎ - Das ist nicht nur eine Herausforderung für China allein, denn das hat globale Auswirkungen: »Es gibt einen alten Satz über China, der in den vergangenen Jahren immer mal wieder herausgeholt wurde: Das Riesenreich könnte das erste Land werden, dessen Bevölkerung alt wird, bevor sie reich geworden ist, hieß es oft warnend oder mit leichtem Schaudern. Denn an einem agilen, wachsenden China hängt ja ein wichtiger Teil der Weltwirtschaft und der Industrie, auch der deutschen«, so Nils Kreimeier in seinem Artikel Schwache Konjunkur, weniger Menschen: China bröckelt das Wachstum weg. »Das einst bevölkerungsreichste Land der Erde erlebte 2023 einen Negativrekord bei den Neugeborenen, nur noch 6,39 Geburten pro 1000 Einwohner wurden registriert, nach 6,77 im Vorjahr. Zusammen mit steigenden Sterbeziffern bedeutet das: China schrumpft.« Mit 1,41 Milliarden Einwohnern fällt China weiter hinter Indien, dem nunmehr bevölkerungsreichsten Land der Welt, zurück. Auch Kreimeier verweist auf die bereits angesprochenen (möglichen) Ursachen wie der Ein-Kind-Politik, die jahrzehntelang das Bevölkerungswachstum unter Kontrolle halten sollte und nun nach hinten losgeht, obgleich sie schon vor Jahren aufgegeben wurde. Für die aktuell sinkende Geburtenrate dürften auch die schlechte Gesundheitsversorgung und die hohen Lebenshaltungskosten in den Städten eine gewichtige Rolle spielen. Kreimeier erinnert an die Pandemie: »Und dann ist da die Pandemie: Anfangs in vielen Ländern für das rigide Eingreifen der Regierung gelobt, wuchs sich die Kontrolle im Laufe der Zeit zu einem dystopischen Exzess aus.«
Die ökonomischen Auswirkungen sind erheblich: »Das Zusammentreffen der beiden großen Entwicklungen – wirtschaftliche Flaute und Rückgang der Bevölkerung – hat weitreichende Folgen in allen Bereichen der chinesischen Volkswirtschaft. Die Konsumausgaben sinken, die Zahl der verfügbaren Arbeitskräfte auch. Vor allem aber trifft es den Immobilienmarkt, mit einem BIP-Abteil von 30 Prozent eine der wichtigsten Säulen der chinesischen Wirtschaft überhaupt … Das wiederum wirkt sich auf die Vermögen der Chinesen aus, die zu einem überwiegenden Teil durch Immobilienbesitz getragen werden. Der Effekt ist eine Abwärtsspirale beim Wirtschaftswachstum.«
↩︎ - Für alle, die sich für China interessieren: Das Mercator Institute for China Studies (MERICS) wurde 2013 von der Stiftung Mercator gegründet, um die Kenntnisse und Diskussion über China in Deutschland und Europa zu vertiefen. Mit mehr als 20 internationalen Experten aus Europa, den USA und Australien ist MERICS das derzeit das größte europäische Forschungsinstitut, das sich ausschließlich mit der Analyse des aktuellen Chinas und seiner Beziehungen zu Europa und der Welt beschäftigt. MERICS hat seinen Hauptsitz in Berlin und unterhält zudem ein Büro in Brüssel. Hier der Link zu deren Website: https://merics.org.
↩︎ - »Ein Spezifikum ist in China allerdings: Die Ein-Kind-Politik habe die Vorstellung von der idealen Familie entscheidend geprägt, sagt Lutz. Während europäische Umfragen zeigen würden, dass der Wunsch nach zwei Kindern nach wie vor sehr stark ist, habe sich das in China „massiv geändert“. Befrage man junge Chinesinnen und Chinesen, würden vier von fünf sagen, dass sie ein Kind optimal finden. „Weil sie nichts anderes gesehen haben, nichts anderes kennen.“ In der Fachsprache wird das als „low fertility trap hypothesis“ bezeichnet: „Die Ein-Kind-Familie ist die Normalität, die es umzusetzen gilt.“ Kleine Familien wurden also zur sozialen Norm.«
↩︎ - Ein Problem in Vietnam (übrigens auch in China) ist zudem die wachsende Geschlechterungleichheit. 2023 kamen auf 100 Frauen 103,5 Männer. Besonders bei zweiten oder dritten Schwangerschaften kommt es vermehrt zu Abtreibungen weiblicher Föten, wenn die ersten Kinder bereits Mädchen sind. Das liegt an der Bevorzugung männlichen Nachwuchses durch den Konfuzianismus, der längst verbotenen Geschlechtsselektionsmöglichkeit per Ultraschall und eben auch an der bisherigen Zweikindpolitik. Das Verhältnis könnte sich nach Prognosen noch auf 100 zu 110 verschlechtern.
↩︎ - »Lieber ein Hund als ein Kind – so entscheiden viele junge Paare in Südkorea. Manche Frauen sind noch radikaler. Ihre Regeln: keine Kinder, keine Ehe, keine Dates und kein Sex«, so der Untertitel des Beitrags von Miriam Steimer. Auch in diesem Beitrag werden sozialpolitisch relevante Aspekte angesprochen, die mit erklären können, warum die Geburtenrate so stark abgesunken ist – darunter das Bildungssystem und die Ausgestaltung der Bildungspolitik: »Die Note entscheidet, wer auf eine Elite-Uni in Seoul darf und mit einem Abschlusszeugnis von dort die besten Chancen auf dem Arbeitsmarkt haben wird. Deshalb gehen nahezu alle zu privaten Nachhilfe-Instituten. Viele Familien verschulden sich, um das bezahlen zu können.« Und das vor dem generellen Hintergrund: »Kinder großzuziehen gilt in Korea als extrem teuer, mit wenig Unterstützung, viel Druck und care-Arbeit, die nach wie vor vor allem an den Müttern hängen bleibt.« Kritisiert wird, dass die ganze Last der Kindererziehung an den Müttern hänge und es nahezu unmöglich sei, nach der Geburt den Job zu behalten. erschwerend kommt hinzu: »Südkorea hat nicht nur die niedrigste Geburtenrate weltweit, sondern im Vergleich der OECD-Länder auch den größten Einkommens-Unterschied zwischen Männern und Frauen, die den gleichen Job machen.« Immerhin: Südkorea plant, ein neues Ministerium zu schaffen, das sich auf demografische Probleme konzentrieren soll.
↩︎ - Die in Japan weit verbreitete Skepsis und auch Ablehnung der Zuwanderung von Ausländern wird in dieser Hintergrundsendung des Deutschlandfunks aufgegriffen, denn das schlägst sich sogar im parteipolitischen Spektrum und bei den Wahlergebnissen nieder: Rechtspopulismus in Ostasiens größter Demokratie (04.11.2025): »Ausländerfeindlichkeit war lange kein Thema in Japan. Doch seit einigen Jahren ändert sich das: Die rechtspopulistische Partei Sanseitō heimst mit Attacken gegen Ausländer Wahlerfolge ein. Die regierende Liberaldemokratische Partei (LDP) zieht nach.« ↩︎